Frankfurter Rundschau, 12. Mai 2011
Hofheim Meditatives Bogenschießen im Exerzitienhaus will Gelassenheit vermitteln
Von André Madaus
Beim letzten Schuss senkt Otto Bammel plötzlich den Bogen. Der Pfeil schnellt los und bohrt sich auf halbem Weg zum Ziel in den Rasen. Trotzdem wirkt der Schütze nicht enttäuscht. Er lächelt sogar, als er sich vor dem Ziel verneigt.
„Nicht jeder Pfeil, der ins Schwarze geht, trifft wirklich. Manchmal trifft ein Pfeil, der danebengeht, tiefer“, sagt Bammel nach seinem Fehlschuss. Der Seelsorger aus Frankfurt leitet zusammen mit dem Arzt Dr. Alexander Ullrich das Seminar „Meditation und Bogenschießen“ im Exerzitienhaus, dem Franziskanischen Zentrum für Stille und Begegnung, in Hofheim. Die meisten der 22 Teilnehmer möchten dort einmal zur Ruhe kommen, einen Impuls erhalten oder sich einfach „etwas Gutes tun“. Einige von ihnen reisten dafür eigens aus Aachen, Nürnberg und sogar aus der Schweiz an. Es ist eine bunt gemischte Runde: einer ist Pilot, ein anderer arbeitet mit behinderten Menschen, eine Hausfrau und vierfache Mutter macht ebenso mit wie der Leiter einer Fachhochschule.
Erfahrung mit dem meditativen Bogenschießen haben nur wenige von ihnen mitgebracht. Als Basis für diese aus Japan stammende Tradition dient die Zen-Meditation. „Im Zen geht es um den Alltag, um die innere Einstellung zu den tagtäglichen Handlungen unseres Lebens“, erläutert der Franziskaner Helmut Schlegel die verschiedenen Techniken.
Der runde Raum mit dem Holzboden im Exerzitienhaus wirkt freundlich, die hohen Fenster lassen viel Sonnenlicht hinein. Hier üben die Teilnehmer meditatives Sitzen oder Gehen. Da im Zen alle Übungen schweigend ausgeführt werden, herrscht Stille – schon allein das dürfte für die meisten ein Kontrast zum Alltag sein. „Unterdrücken Sie ihre Gedanken nicht, sondern betrachten sie sie wie Wolken, die sie einfach ziehen lassen“, gibt Schlegel ihnen mit auf den Weg, als er mit der Klangschale die Meditationsrunde einläutet.
Beim Schießen herrscht Stille
Zum Bogenschießen begibt sich die Gruppe in den Garten. Auch hier gilt das Gebot des Schweigens – die volle Aufmerksamkeit soll sich auf das Wesentliche richten. Es beginnt stets mit der Verneigung vor dem letzten Schützen, dem Ausdruck gegenseitigen Respekts. Wer dann seinen festen Stand gefunden hat, legt den Pfeil auf, richtet sich aus und zielt. Wichtig ist, dass letztlich jeder seinen eigenen Rhythmus entwickelt. „Ausatmen, loslassen – ein intensives Gefühl“, schildert Andreas Gehring hinterher begeistert seine Erfahrung. „Besonders in diesem Moment habe ich eine große Zufriedenheit verspürt.“
Es wäre schön, auch im Alltag gelassener zu sein, nicht immer „treffen zu müssen“, sagt Gehring. Auf jeden Fall habe das Wochenende viel Spaß gemacht und seinen Horizont erweitert. Für Seminarleiter Otto Bammel ein schönes Ergebnis: „Beim meditativen Bogenschießen geht es letztlich darum, sich selbst treffen zu lassen.“