Erschienen am 14. Dezember 2011 auf heute.de
von André Madaus
Nahezu 50 Millionen Tonnen Abfall produzieren deutsche Haushalte jährlich. Ein neues Abfallgesetz soll dafür sorgen, dass noch mehr wiederverwertet wird. Weil der Bundesrat das Gesetz stoppte, sucht der Vermittlungsausschuss weiter einen Kompromiss.
Mit einer Runderneuerung des 15 Jahre alten Kreislaufwirtschaftsgesetzes will die Bundesregierung eine höhere Recyclingquote erreichen und zugleich eine entsprechende EU-Richtlinie in deutsches
Recht umsetzen. Die von SPD und Grünen regierten Länder ließen den Entwurf jedoch Ende November im Bundesrat scheitern.
Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen die Gleichwertigkeitsklausel: Sie besagt, dass ein privates Abfallunternehmen dann ein Recht auf die gewerbliche Sammlung der Abfälle besitzt, wenn die
Kommune selbst kein Angebot für ein effizientes und hochwertiges Recycling machen kann oder will.
Matthias Miersch, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, ist diese Gleichstellung öffentlicher Einrichtungen mit privatwirtschaftlichen Interessenten ein Dorn im Auge. "In der Vergangenheit haben wir an vielen Stellen sehen können, dass private Anbieter in den Markt dringen, wenn zum Beispiel die Preise für bestimmte Wertstoffe hoch sind, dann jedoch sehr schnell der öffentlichen Hand den Bereich überlassen, wenn die Preise fallen", begründet er das Veto des Bundesrates.
Horst Meierhofer, FDP-Experte für Entsorgungswirtschaft, betont hingegen: "Sammelt und recycelt die Kommune viel, kann sie die Sammlung untersagen. Sammelt sie wenig und recycelt sie schlecht, kann ein Privater einen besseren Service für den Bürger anbieten." Gerade die ausschlaggebende "Qualität" des Recyclings sei im Gesetz jedoch nicht klar definiert, wirft Miersch der Regierung vor. Er befürchtet zudem höhere Kosten für Verbraucher: "Durch die Gleichwertigkeitsklausel würden private Anbieter selbst dann bevorzugt werden, wenn die Gebührenstabilitiät gefährdet wäre."
Private Anbieter verweisen gerne auf ihr größeres Know-how in Sachen Recycling und fordern einen fairen Wettbewerb um das äußerst lukrative Geschäft mit dem Müll. Der Umsatz der Branche beträgt fast 50 Milliarden Euro jährlich. Diese Summe könnte durch eine neue Wertstofftonne sogar noch deutlich steigen.
Darin sollen ab 2015 flächendeckend alle Abfälle aus Plastik und Metall gesammelt werden. Die beispielsweise in Elektrogeräten enthaltenen Metalle sind angesichts knapper werdender Rohstoffe bereits heute sehr wertvoll. Sieben Kilogramm pro Einwohner, die bislang meist im Restmüll landeten, könnten durch die neue Tonne zusätzlich als Wertstoff erfasst werden, schätzt FDP-Umweltpolitiker Meierhofer. Eine Verzögerung bei der Einführung der Wertstofftonne sei durch das Nein der Länderkammer nicht zu erwarten.
Beim Streit um den Zugriff auf wertvollen Müll fordert der Umweltverband BUND hingegen, dass "die Zuständigkeit und die Gestaltungsspielräume bei der Abfallerfassung bei den Kommunen liegen müssen". Diese könnten dort, wo es sinnvoll sei, Aufträge an privatwirtschaftliche Unternehmen vergeben. "Es sollte sichergestellt sein, dass Aspekte der Verbraucherfreundlichkeit und des Umweltschutzes Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben", betont Heribert Wefers.