Erschienen am Mittwoch, 26.10.2011 auf heute.de

Der Brokkoli bleibt patentiert

Europäisches Patentamt sagt Anhörung kurzfristig ab

von André Madaus

 

Die Kritiker sogenannter Biopatente sind empört: Weil das Europäische Patentamt eine öffentliche Anhörung im Streitfall der Saatgut-Giganten Monsanto und Syngenta absagte, bleibt das Patent auf angeblich besonders gesunden Brokkoli bestehen.


Die Gegner von Biopatenten hatten dem Termin seit Monaten mit großen Hoffnungen entgegen geblickt: Heute sollte das Europäische Patentamt (EPA) in München das Brokkoli-Patent EP1069819 kippen und den Streit zweier Konzerne beenden. Doch die Anhörung wurde kurzfristig abgesagt.

 

Der Patentinhaber hatte seinen Anspruch zuvor erheblich eingeschränkt. Das Züchtungsverfahren wird ausgeklammert, der Brokkoli selbst bleibt patentfähig. Zusammen mit Organisationen wie der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Greenpeace oder Misereor will die Initiative Initiative "Kein Patent auf Leben!" trotzdem vor der Behörde demonstrieren.

 

"Naturally better" - und natürlich teurer

Hintergrund des Rechtsstreits ist ein Patent der britischen Firma Plant Bioscience. Es bezieht sich auf das Verfahren, mit dem Gene im Brokkoli markiert werden, die für einen angeblich Krebs vorbeugenden Inhaltsstoff verantwortlich sind. Gegen das Patent legte der Schweizer Konzern Syngenta schon 2003 Einspruch ein. Die Begründung: Das Verfahren sei im Wesentlichen biologisch, das Patent entspreche daher nicht den Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens.

 

Ungeachtet dessen kaufte der US-Konzern Monsanto die Nutzungsrechte für das Patent. In englischen und amerikanischen Supermärkten wird der vermeintlich besonders gesunde Brokkoli mit dem Etikett "Naturally better" angepriesen - zu deutlich höheren Preisen.

 

Können Pflanzen erfunden werden?

Syngenta-Sprecher Peter Hefner betont die Notwendigkeit von Biopatenten: "Patente sind eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung vieler Wirtschaftsbereiche, auch bei Saatgut. Sie machen Erfindungen transparent und sichtbar, so dass alle Marktteilnehmer davon profitieren können."

Kritiker von Biopatenten monieren seit Jahren grundsätzlich die Patentierung von Nutzpflanzen wie Brokkoli oder Tomaten. Tiere und Pflanzen könnten nicht erfunden und somit auch nicht patentiert werden, so ihr zentrales Argument. "Das Patent bleibt nun erst mal bestehen, vor allem das Patent auf die Pflanze selber, auf das Saatgut und die Produkte", kommentiert Georg Janßen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die Absage.

Bauern drohe damit weltweit die Abhängigkeit von Saatgutkonzernen und deren Preisen. Die weitere Zucht mit dem speziellen Brokkoli ist durch das Patent verboten. "Das EPA handelt in den letzten Jahren praktisch als Steigbügelhalter der großen Konzerne - und nicht als unabhängige Kammer", so Janßen. Weil die Behörde die Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren nicht grundsätzlich widerrufen hat, befürchten Gegner eine Welle weiterer Anträge.

 

Koalitionsvertrag: Verbot solcher Patente

Auch der Bundesregierung ist das Problem bewusst. "Wir können neue Verfahren bei Pflanzen und Tieren nicht wie sonstige technische Verfahren behandeln", hatte Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) im Verlauf des Brokkoli-Streits betont. Selbst im Koalitionsvertrag(Externer Link - Öffnet in neuem Fenster) steht das Verbot von Patenten auf Nutzpflanzen und Nutztiere. "Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie auf das deutsche Patentgesetz Einfluss nimmt. Das wäre ein starkes Zeichen", sagt Ruth Tippe von der Initiative "Kein Patent auf Leben!". Die Bundesregierung "sollte im EU-Ministerrat aktiv werden und dafür sorgen, dass Patente wie das Brokkoli-Patent nicht mehr erteilt werden können."

 

Mit Spannung warten die Biopatent-Gegner nun auf den 8. November. Dann geht es beim EPA in einem ähnlichen Streitfall um die sogenannte "Schrumpel-Tomate". Sie ist wasserarm und eignet sich deswegen besonders gut für Ketchup.

 







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