Erschienen am 3.1.2018 auf heute.de
Archäologie
Altersbestimmung per C14-Datierung ist ein wichtiges Instrument der Wissenschaft. Noch ist sie eindeutig. Aber wegen des CO2 in der Atmosphäre könnte das bald Geschichte sein.
Die Echtheit des "Turiner Grabtuches" ist von jeher umstritten. Wurde darin tatsächlich der Leichnam Jesu eingewickelt? Die wissenschaftliche Antwort lautet heute ganz klar: Nein. Eine 1988 durchgeführte C14-Datierung ergab, dass das Leinengewebe aus dem 14. Jahrhundert stammt.
Nobelpreis für den Entdecker
Das Grabtuch ist nur ein prominentes Beispiel für die C14-Datierung. Seitdem der Chemiker Willard Libby sie 1946 entwickelt hat, bestimmen Archäologen damit das Alter von organischem Material wie etwa Holzkohle oder Knochen. Libby erhielt für seine Entdeckung 1960 den Nobelpreis, Generationen von Forschern sind ihm vermutlich bis heute dankbar.
Das Prinzip ist im Grunde einfach: In einem lebenden Organismus liegt das Kohlenstoff-Isotop C14 mit fast demselben Anteil vor wie in der Atmosphäre, mit der sich das Lebewesen mittels Atmung oder Photosynthese ständig austauscht. Stirbt der Organismus, findet kein Austausch mehr statt. Durch den gleichzeitig stattfindenden Zerfall des radioaktiven Isotops C14 verringert sich dessen Anteil im toten Organismus; nach etwa 5.730 Jahren hat er sich halbiert. Diese natürliche Regelmäßigkeit, die so genannte Halbwertszeit, nutzte Libby, um über den Restgehalt an C14 das Alter organischen Materials zu bestimmen.
CO2–Emissionen reduzieren C14 in der Atmosphäre
Seit kurzem gibt es jedoch die Sorge, dass diese "Datierungswaffe" bald stumpf werden könnte. Die Ursache dafür liegt im menschgemachten Eintrag von CO2 in die Atmosphäre, erklärt der Physiker Peter
Köhler vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven: "Das Problem ist, dass im CO2 aus fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Erdgas kein C14 mehr vorhanden ist. Dadurch sinkt der C14-Gehalt im
Kohlenstoffkreislauf. Modellstudien zeigen, dass bei einem unveränderten CO2-Ausstoß spätestens in 50 Jahren der C14-Wert in der Atmosphäre identisch sein wird mit Werten aus dem Mittelalter."
Der C14-Gehalt in der Atmosphäre - und damit auch in allen Lebewesen - wäre durch die CO2-Emissionen dann soweit verdünnt, dass man 1.000 Jahre alten Kohlenstoff nicht mehr von solchem unterscheiden kann, der durch Photosynthese gerade erst gebunden wurde. Dieses als Suess-Effekt bezeichnete Phänomen könnte die Eindeutigkeit der C14-Datierung gefährden.
Hilfreiches Instrument für Archäologen
Die Methode unterliegt auch grundsätzlichen Einschränkungen. Zum einen liefert sie, bedingt durch die Messgenauigkeit, Zeitspannen von ca. 100 bis 150 Jahren. Wer es genauer wissen will, ist auf
andere Mittel angewiesen. Hinzu kommt, dass das C14 nach rund 60.000 Jahren soweit zerfallen ist, dass es nicht mehr nachgewiesen werden kann. Für alles was älter ist, beispielsweise
Dinosaurierknochen, ist C14 nicht geeignet. Schließlich gibt es noch verschiedene Ungenauigkeiten, die auf Sonnenfleckenaktivitäten, Atomwaffentest oder Schwankungen des Erdmagnetfeldes
beruhen.
Für die Mittelalter-Archäologin Matylda Gierszewska-Noszczyńska von der Forschungsstelle Kaiserpfalz in Ingelheim ist die C14-Datierung dennoch hilfreich: "Wir nutzen die Methode immer wieder, sie gibt uns eine gewisse Sicherheit. Für sich alleine ist C14-Datierung zwar nicht immer aussagekräftig, und man muss aufpassen, wie man die Ergebnisse interpretiert. Aber man kann Datierungen, die man zum Beispiel anhand von Keramikfunden vorgenommen hat, damit gut untermauern."
Um die Methode für die Forschung zu retten, hat sich Peter Köhler etwas überlegt. Der Physiker nutzte für seine Modellrechnungen die Tatsache, dass der Suess-Effekt nicht nur den C14-Kreislauf beeinflusst, sondern auch den des stabilen Kohlenstoff-Isotops C13. "Wenn ich den Suess-Effekt am C13 nachweisen kann und sehe, dass es einen Eintrag von fossilen Brennstoffen gibt, weiß ich, dass auch die C14-Datierung mit Vorsicht zu genießen ist", so Köhler. Liegt das C13-Signal hingegen im erwarteten Bereich, gibt es keinen Einfluss von fossilem Kohlenstoff. Der C14-Wert zeigt dann das korrekte Alter an.
Woher kommt das Kohlenstoff-Isotop C14?
Der US-amerikanische Chemiker und Physiker Willard Libby erforschte während des Zweiten Weltkrieges die so genannte kosmische Strahlung. Dabei wurde er auf das Kohlenstoff-Isotop C14 aufmerksam. Es
entsteht in der oberen Atmosphäre der Erde, wenn dort Neutronen der kosmischen Strahlung mit Stickstoff reagieren. Der Stickstoff verliert dabei ein Proton und es entsteht das Isotop C14
(wissenschaftlich korrekt: 14C). C14 ist eines von drei Kohlenstoff-Isotopen, die auf der Erde vorkommen. Im Unterschied zum radioaktiven C14, das mit einer Halbwertszeit von 5.730 Jahren wieder zu
Stickstoff zerfällt, sind die Kohlenstoff-Isotope C12 und C13 stabil. Die Konzentration von C14 im Kohlenstoffkreislauf ist äußerst gering, sein Verhältnis zu den beiden stabilen Kohlenstoff-Isotopen
beträgt ungefähr eins zu einer Billion. Anders ausgedrückt: Auf eine Tonne Kohlenstoff kommt lediglich ein Millionstel Gramm C14.
Wie funktioniert die C14-Datierung?
Trotz seines geringen natürlichen Vorkommens ist C14 in der Natur nachweisbar. In Form von CO2 nutzen es Pflanzen für die Photosynthese, Tiere und Menschen nehmen es über die Nahrungskette auf. Wenn
Lebewesen atmen, kleinste Organismen Abfallprodukte zersetzen oder Gase aus dem Meer freigesetzt werden, entweicht Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre. Dieser natürliche Kohlenstoffkreislauf
ermöglicht die C14-Datierung: Wenn ein Organismus stirbt, kann er kein neues C14 mehr aufnehmen. Da C14 ständig radioaktiv zerfällt, beginnt sich die Zahl seiner Atome stattdessen zu reduzieren.
Gelingt es, die in Knochen oder konservierten Pflanzenresten verbliebene Menge zu bestimmen, lässt sich über die Halbwertszeit berechnen, wann ein Organismus gestorben ist. Nach rund 60.000 Jahren
sind jedoch nur noch so wenige Atome übrig, dass der Gehalt an C14 nicht mehr zuverlässig nachgewiesen werden kann.
Was beeinflusst die C14-Konzentration?
Es gibt verschiedene Faktoren, die die Konzentration von C14 in der Atmosphäre beeinflussen. Ein wichtiger Faktor ist die Sonne: Da ihre Aktivität zyklisch zu- und abnimmt, schwankt auch die
Intensität der kosmischen Strahlung, durch die das Isotop entsteht. Der Kohlenstoffkreislauf selbst hängt mit dem Klima zusammen. Während einer Eiszeit geht zum Beispiel der Anteil an Wäldern auf der
Erde zurück, was auch das Verhältnis der Kohlenstoff-Isotope beeinflusst. Ein wesentlicher Faktor ist zunehmend der Mensch: Seit Beginn der Industrialisierung werden große Mengen an Öl, Erdgas und
Kohle verbrannt, wodurch CO2 in die Atmosphäre gelangt. Da diese fossilen Brennstoffe in Prozessen über Millionen von Jahren entstehen, enthalten sie praktisch kein C14 mehr. Ihre Verbrennung
reduziert daher den C14-Gehalt in der Atmosphäre, was nach dem Physiker Hans E. Suess auch als Suess-Effekt bezeichnet wird.
Welche Rolle spielten Atombombentests?
Der Suess-Effekt wurde um die Mitte des 20. Jahrhunderts von einem anderen Faktor überlagert: Insbesondere die USA und die Sowjetunion führten in den 1950er Jahren zahlreiche Tests mit Atomwaffen
durch. Dadurch gelangten zusätzliche Neutronen in die Atmosphäre, die dort wiederum einen Anstieg des C14-Gehalts bewirkten. Wenn man Proben, die nach 1950 genommen wurden, anhand der C14-Methode
datieren möchte, muss man bei den Berechnungen diesen so genannten Bomb-Peak berücksichtigen. Tatsächlich hat der Bomb-Peak auch dafür gesorgt, dass der Einfluss durch die Verbrennung fossiler
Kraftstoffe gewissermaßen ausgeglichen wurde. Der Physiker Peter Köhler vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven schätzt, dass das C14-Datierungsproblem dadurch um rund 100 Jahre in die Zukunft
verschoben worden ist.
Wie kommt man vom C14-Gehalt zum kalendarischen Alter?
Der Gehalt an radioaktivem Kohlenstoff in der Atmosphäre unterliegt zahlreichen Einflüssen und variiert daher. Mitunter zeigen Proben aus verschiedenen Jahrhunderten den gleichen C14-Wert und lassen
auf das gleiche C14-Alter schließen. So variieren zum Beispiel die C14-Messergebnisse für die Zeit nach dem Jahr 1000 und vor dem messbaren Einfluss des Suess-Effektes um das Jahr 1900 um einen
Mittelwert. Das kalendarische Alter einer Probe aus diesem Zeitraum lässt sich daher zunächst nicht eindeutig feststellen. Um C14-Messungen trotzdem zu kalibrieren, ziehen Wissenschaftler daher
andere Methoden wie die Dendrochronologie hinzu. Diese Methode bestimmt das Alter von Bäumen anhand der Dicke ihrer Jahresringe, deren Wachstum von den klimatischen Bedingungen abhängt. Vergleicht
man Ringe verschiedener Klimazonen und Epochen mit dem C14-Gehalt im Holz, lassen sich daraus so genannte Kalibrierungskurven ableiten. Diese Kurven können anschließend auch auf andere Proben
angewendet werden.