Erschienen am 31. März auf heute.de:

Ja, wann denn nun? Der fossile Gipfel

von André Madaus

Eine jüngste Studie sagt: Ab 2020 ist die Förderung fossiler Energieträger rückläufig - trotz Fracking und Tiefseebohrungen. Ein vergleichsweise frühes Peak-Oil-Datum - aber nicht das einzige. Wann geht's denn nun wirklich bergab? Ein Blick auf die Datenlage.

Es gehört zu den Tatsachen, die man so gerne verdrängt: Unser Wohlstand, unsere Mobilität, im Grunde unsere gesamte Zivilisation wäre nicht denkbar, wenn von heute auf morgen kein billiges Erdöl oder Erdgas mehr zur Verfügung stünden. Entsprechend heiß wird von jeher die Frage diskutiert, wann uns die Brennstoffe aus dem Erdinneren wirklich ausgehen werden - und wie es dann weitergehen soll.

 

Einer aktuellen Studie der Energy Watch Group (EWG) zufolge wird das globale Fördermaximum für alle fossilen Energien – Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran – noch vor 2020 erreicht werden. Bei dem mit "konventionellen" Methoden geförderten Erdöl sinkt die Kurve nach Einschätzung der Energy Watch Group schon seit 2008. Peak Oil war demnach vorgestern. Ein deutliches Anzeichen dafür sei die Entwicklung des Spritpreises, der die reale Knappheit der Ölmärkte abbilde. In den nächsten fünf Jahren würden sich die Preise an den Zapfsäulen der Zwei-Euro-Marke nähern, so der deutsche Energieforscher Werner Zittel, einer der Hauptautoren der Studie.

 

Das glatte Gegenteil

Nun ist die von Lobbyorganisationen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien geförderte Energy Watch Group keineswegs als unabhängig einzuschätzen. Andere Institutionen wie die wirtschaftsnahe Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) oder die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris verkünden denn auch gerne das glatte Gegenteil: Bis 2035, so heißt es beispielsweise im aktuellen World Energy Outlook der IEA, könne die weltweite Ölversorgung sogar noch gesteigert werden. Alle Prognosen eines Peak Oil seien inzwischen überholt, auch weil durch neue Technologien wie das berüchtigte Hydraulic Fracturing - kurz Fracking - die Förderung von in tiefen Gesteinsschichten gebundenem Öl und Gas wirtschaftlich rentabel sei.Nicht nur in den USA, wo die Gewinnung von Schieferöl und Schiefergas zuletzt einen regelrechten Boom ausgelöst hat, gebe es solche Vorkommen. Auch in vielen anderen Teilen der Welt schlummern nach Einschätzung von IEA-Experten gewaltige Gasreserven, die nur darauf warten, ans Tageslicht befördert zu werden.

 

"Goldenes Zeitalter für Gas"

Die Energy Watch Group hält diese Schätzungen für übertrieben, zumal beim Fracken Unmengen an Wasser benötigt würden. Das mache eine Förderung potentieller Gasvorkommen beispielsweise in trockenen Regionen Chinas, Australiens oderArgentiniens kaum möglich. Dennoch: In einem speziellen  Bericht rief die IEA schon im Mai 2012 ein "goldenes Zeitalter für natürliches Gas" aus.

 

Was dieser Report allerdings nur am Rande erwähnt: Der Verbrauch dieser Gasvorkommen könnte zu einem Temperaturanstieg "von mehr als 3,5 Grad Celsius führen". Und das, obwohl Erdgas beim Verbrennen deutlich weniger Kohlendioxid erzeugt als Öl oder Kohle. Das zumindest auf dem Papier weltweit anerkannte Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu beschränken, hätte sich damit erübrigt.Alexander Ochs, Energieexperte des Worldwatch Institute in Washington, sieht noch ein weiteres Problem. "Technisch und ökonomisch ist es möglich, dass die Hälfte unserer Elektrizität bis 2030 aus erneuerbaren Energien kommt", ist er überzeugt. "Erdgas könnte ein wichtiger Verbündeter sein bei diesem Übergang". Dafür seien jedoch angemessen hohe Umweltstandards nötig. "Wenn Erdgas weltweit billig zu bekommen ist, könnte es den Erneuerbaren im Weg stehen", fürchtet Ochs.

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