Erschienen auf heute.de am 8. August 2012:

Minister Niebel auf trockenem Boden

Hungerkrise in Westafrika

 

von André Madaus

 

Amerikas Farmer leiden unter der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten. Auch in Russland trocknet der Boden aus. Die weltweite Dürre lässt Agrarpreise explodieren - und manche fürchten schon Hungerrevolten.

 

Hitzewellen, stetige Trockenheit und verheerende Brände lassen die Menschen in verschiedenen Regionen der Welt zunehmend verzweifeln. In den USA hat die schlimmste Dürre seit einem halben Jahrhundert im mittleren Westen vielerorts bis zu 90 Prozent der Maisernte zerstört. Nicht viel besser steht es um Weizen und Soja.

 

Greenpeace: Eine Million Hektar Wald in Flammen

 

In Russland ist die Sonne ebenso erbarmungslos. Greenpeace-Experte Karsten Smid schätzt, dass etwa eine Million Hektar Wald in Flammen stehen, wie schon 2010 gibt es dort Torfmoorbrände. Zudem ist die Weizenernte ebenso in Gefahr wie in Kasachstan und der Ukraine, wo ebenfalls extreme Hitze und Trockenheit herrschen. "Das gehäufte Auftreten solcher Hitzeperioden ist genau das, was Klimawissenschaftler vorhergesagt haben, und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass dies mit der globalen Erwärmung zusammenhängt", sagt Smid.

 

Die Folgen der Wetterextreme sind komplex und weitreichend. Seit Mitte Juni sind die Preise für Agrarrohstoffe in die Höhe geschnellt. Weizen ist auf dem Weltmarkt bereits teurer als 2010 nach den Bränden in Russland, Mais hat die Marke von 2008 überschritten. Damals gab es eine weltweite Ernährungskrise mit Hungerrevolten rund um den Globus. Manche Experten befürchten eine Wiederholung dieser Situation. Frank Brassel von der Entwicklungsorganisation Oxfam sieht jedoch einen Unterschied: "Aktuell ist vor allem der Maispreis hoch. 2008 war der Weizen teurer, aber im Moment gibt es davon mehr Reserven als damals."

Die Profiteure der Krise und noch mehr Elend

 

Mais wird inzwischen ohnehin überwiegend für Biosprit und Viehfutter angebaut. Angesichts der zu erwartenden Engpässe fordern Fachleute daher bereits, Mais statt zur Produktion von Bioethanol nur noch für Nahrungsmittel zu verwenden. Und: Die Ausfälle bei der Maisernte werden bald auch den Fleischpreis nach oben treiben, weil amerikanische Farmer ihre Rinder notschlachten müssen und große Fleischproduzenten wie Japan – weltgrößter Importeur von Mais – auf teureres Futter wie australischen Weizen umsteigen. Australische Weizenfarmer profitieren also von der Hitzewelle, ebenso wie deutsche Düngemittelhersteller.

 

Weil die meisten amerikanischen Farmer gegen Ernteausfälle versichert sind, sitzen die wirklich Leidtragenden der Dürre ganz woanders: Es sind Menschen in Ländern, die auf Importe von Agrarrohstoffen angewiesen sind, beispielsweise in Kuba, Haiti, Pakistan oder Bangladesh. Vor allem dort würde ein weiterer Anstieg der Getreidepreise noch mehr Hunger und Elend verursachen. An der Preisspirale drehen dabei auch die Händler auf dem Parkett der Agrarterminbörse in Chicago: "Die völlig überzogene Spekulation mit Agrarrohstoffen sorgt dafür, dass Preistrends nach oben oder unten enorm verstärkt werden", ist Frank Brassel überzeugt. Auch in der Sahelzone verschärft sich die Lage, hier sind rund 18 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht. Entwicklungsminister Niebel versucht sich gerade in Burkina Faso ein Bild von der Lage zu m

Neue Debatte über Klimaerwärmung

 

Immerhin einen positiven Effekt könnte die Hitze haben: In den USA hat sie nämlich die Debatte über die Klimaerwärmung neu entfacht. Karsten Smid dämpft jedoch die Erwartungen: "Die meisten Amerikaner hoffen, dass der technologische Fortschritt Lösungen anbietet. Aber die Landwirtschaft kann sich an solche extremen Bedingungen nicht anpassen, der Genmais, immerhin die Hälfte der Anbaufläche in den USA, verdorrt genauso." Letztlich, unterstreicht Smid, helfe nur eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen. In den USA soll die Hitzewelle noch bis mindestens Oktober anhalten. Glaubt man dem Weltklimarat, ist das aber erst der Anfang: Aufgrund der globalen Erwärmung werden Hitzewellen zunehmen und beispielsweise in Europa etwa alle fünf statt wie bisher alle 20 Jahre auftreten.

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