Erschienen am 2.11.2014 auf heute.de:
Klare Botschaft des Weltklimarats: Sollte es nicht gelingen, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, werden die Konsequenzen kaum mehr beherrschbar sein. "Wir wissen genug, um jetzt schnell und entschlossen zu handeln", sagt Umweltministerin Barbara Hendricks im heute.de-Interview.
heute.de: Inwieweit ist der fünfte Weltklimareport eine Grundlage für eine Zukunft ohne fossile Energieträger?
Barbara Hendricks: Die Wissenschaftler liefern uns eine umfassende Zusammenfassung über das, was die Welt über den Klimawandel weiß. Es gibt keinen ernsthaften Zweifel daran, dass sich das Klima aufgrund menschlicher Einflüsse ändert. Wir kennen die dramatischen Folgen des Klimawandels für Mensch und Natur. Aber wir kennen auch die Werkzeuge, die man für den Klimaschutz braucht, die Energiewende zum Beispiel. Und wir wissen: Es kostet nicht die Welt, den Planeten zu retten. Als Politikerin sage ich: Wir wissen genug, um jetzt schnell und entschlossen zu handeln.
heute.de: Anders als das Kyoto-Protokoll sollen im Pariser Weltklimaabkommen 2015 wohl keine rechtlich verbindlichen Ziele zur CO2-Reduktion mit Sanktionen bei Nichteinhaltung festgeschrieben werden. Warum könnte dieser "sanfte" Weg eher zum Erfolg führen?
Hendricks: Noch haben die Verhandlungsparteien sehr unterschiedliche Auffassungen, was am Ende in das Pariser Abkommen geschrieben werden soll. Als EU fordern wir, dass die Staaten sich zu konkreten Klimazielen verpflichten. Außerdem brauchen wir einen verbindlichen Rahmen, in dem die Staaten künftig handeln. Dies schafft das Vertrauen, dass die zugesagten Emissionsminderungen auch tatsächlich erreicht werden. Der verbindliche Rahmen stellt sicher, dass wir die Aktivitäten der einzelnen Staaten miteinander vergleichen und auch aufaddieren können. Nur so können wir feststellen, ob die Staatengemeinschaft insgesamt genug für den Klimaschutz tut.
heute.de: Die Bundesregierung muss zunächst ihre eigenen Hausaufgaben machen und das im Koalitionsvertrag formulierte Klimaziel von minus 40 Prozent Kohlendioxid-Ausstoß bis 2020 erreichen. Wie soll das gelingen?
Hendricks: Um sicherzustellen, dass unser Klimaziel bis 2020 erreicht werden kann, betrachten wir im Rahmen des Aktionsprogramms Klimaschutz mögliche Minderungspotentiale in allen Sektoren. Wichtige Handlungsfelder sind dabei der Emissionshandel und die Energiewirtschaft, aber auch Maßnahmen in Bereichen wie energetische Gebäudesanierung, Kreislaufwirtschaft oder Verkehr. Das Aktionsprogramm wird daher ein buntes Bündel an Maßnahmen und Instrumenten enthalten, von Förderprogrammen über gesetzliche Anforderungen bis hin zu Beratungs- und Informationsprogrammen.
heute.de: Energiesparen ist eine einfache Art, CO2-Emissionen zu reduzieren. Beim EU-Gipfel wurden in Sachen Energieeffizienz keine verbindlichen Ziele formuliert. Wird es die dafür notwendigen Schritte im Rahmen des angekündigten Klimaaktionsprogramms geben?
Hendricks: Der EU-Beschluss zum Effizienzziel 2030 hätte sicher ambitionierter ausfallen können. Denn Energiesparen ist ökonomisch und ökologisch die richtige Strategie. Effizienztechnologien bringen im internationalen Wettbewerb enorme Standortvorteile - ein Argument, dem sich Europa wirtschaftspolitisch nicht verschließen darf. Bei uns in Deutschland stand die Energieeffizienz lange im Schatten der Energiewende auf dem Strommarkt - zu Unrecht, wie ich finde. Jetzt ist es an der Zeit, diesen Bereich stärker in den Fokus zu rücken. Die Energieeffizienz im Gebäudebereich wird ein wichtiger Bestandteil unseres Klimaaktionsprogramms sein.
heute.de: Das deutsche Klimaziel ist nur mit einem funktionierenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten möglich. Wie kann man den Emissionshandel wirkungsvoll reformieren und dabei die Industrie mit ins Boot holen?
Hendricks: Das Problem ist ja, dass es zu viele CO2-Zertifikate auf dem Markt gibt. Das führt zu Preisen, die so niedrig sind, dass sie keine Klimaschutz-Anreize mehr setzen. Ich setze mich daher dafür ein, das Überangebot an Zertifikaten aus dem Markt zu nehmen und in eine Reserve zu überführen. So wird der Emissionshandel wieder zum Klimaschutzinstrument.
Dass wir dabei Unternehmen im internationalen Wettbewerb entlasten, versteht sich von selbst, denn Standortverlagerungen helfen dem Klima auch nicht. Entscheidend ist, dass die Reparatur des Emissionshandels so schnell wie möglich kommt und nicht erst 2021, wie es die EU-Kommission vorschlägt. Wir haben beim Klimaschutz nämlich keine Zeit zu verlieren. Für unseren Vorschlag einer schnellen Reform finden wir in der EU übrigens immer mehr Unterstützer.
Das Interview führte André Madaus.