Erschienen am Montag, 26.9.2011 auf heute.de
Agro-Gentechnik: In freier Natur ein nicht-rückholbares Risiko, sagt Felix Prinz zu Löwenstein im heute.de-Interview. Der Biolandwirt brachte im März eine Online-Petition gegen manipulierte Pflanzen auf den Weg. Über 100.000 Menschen unterzeichneten.
heute.de: Hätten Sie damit gerechnet, dass Ihre Online-Petition so erfolgreich sein würde?
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein: Ich dachte, dass es angesichts der skeptischen Haltung in der Öffentlichkeit gegenüber der grünen Gentechnik machbar sein müsste, die für eine öffentliche Verhandlung im Petitionsausschuss erforderlichen 50.000 Unterschriften zu sammeln. Als wir die Petition aber gestartet haben, war gerade die Katastrophe von Fukushima und damit die Atomenergie das beherrschende Thema. Trotzdem hatten wir schon nach drei Wochen 50.000 Unterschriften.
heute.de: Ist das nur ein Trend, Stichwort Bio? Oder misstrauen die Menschen heute mehr als früher dem technologischen Fortschritt?
Löwenstein: Es gibt ja eine europaweite Ablehnung, die je nach Fragestellung bei etwa zwei Dritteln liegt. Zudem hat eine Studie des Forschungszentrums Jülich gezeigt, dass Ablehnung oder Zustimmung nicht darin begründet ist, wie gut oder schlecht jemand über Gentechnik informiert ist. Es geht dabei vielmehr um eine sehr grundsätzliche Haltung zum Umgang mit der Natur. Ich halte diese Einstellung deshalb für etwas Stabileres als einen Trend.
heute.de: Was ist das Hauptanliegen der Petition?
Löwenstein: Wir möchten die Bundesregierung dazu bewegen, in Europa für ein Zulassungsmoratorium gentechnisch veränderter Pflanzen einzutreten. Dafür gibt es eine sehr solide Begründung, nämlich dass die Zulassungsverfahren der EU sehr viele Defizite haben. Aktuell sind zwar nur zwei gentechnisch veränderte Pflanzen in Europa zugelassen, aber 26 Anträge laufen. In vier Fällen ist das Verfahren weit fortgeschritten.
heute.de: In Deutschland wird faktisch keine gentechnisch veränderte Pflanze mehr im Freiland angebaut. Warum ist eine öffentliche Debatte dennoch notwendig?
Löwenstein: Es gibt eine sehr asymmetrische Kräfteverteilung zwischen Befürwortern und Gegnern. Diejenigen, die Gentechnik einführen wollen, sind riesige Weltkonzerne wie BASF. Dagegen sind zwar sehr viele Menschen, aber deren Ressourcen sind minimal. In Europa konnten wir uns die Gentechnik bislang nur vom Hals halten, weil wir in unserer Position von den Verbrauchern unterstützt werden.
heute.de: Andere Länder setzen in großem Stil auf Gentechnik, zum Beispiel Argentinien. Lässt sich eine solche Entwicklung noch zurückdrehen?
Löwenstein: Dort werden auf 60 Prozent der Ackerfläche fast ausschließlich Gen-Soja angebaut. Darüber hinaus kann auch nichts wachsen, weil die Felder mit einem alle anderen Pflanzen vernichtenden Herbizid besprüht werden, gegen das diese manipulierte Sojapflanze resistent ist. Von Biodiversität kann da keine Rede mehr sein. Im Prinzip kann man aus dieser Anbaumethode auch wieder aussteigen. Allerdings wird es sehr schwierig und langwierig, das Gentechniksaatgut wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Erst recht, wenn es zu einem horizontalen Gentransfer kommt, also zu einer Auskreuzung auf verwandte Wildarten.
heute.de: Wie beurteilen sie das kürzlich ergangene Urteil des EuGH bezüglich der Verunreinigung von Honig mit Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen?
Löwenstein: Das Urteil hat noch einmal sehr klar gemacht, dass eine Verunreinigung in Lebensmitteln mit nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen nicht sein darf. Da kann es auch keine Grenzwerte geben. Außerdem wird die Biene nun endlich als Bestandteil des Systems betrachtet. Das klingt grotesk, aber bei den bisherigen Koexistenzüberlegungen wurde die Befruchtung durch Insekten außer acht gelassen. Der Grund liegt auf der Hand: Bienen haben einen Aktionsradius von drei Kilometern. Es geht uns nicht darum, jede Art von Gentechnik zu verdammen. Aber die Agro-Gentechnik, die mit vermehrungsfähigen Organismen in der offenen Natur stattfindet, stellt ein nicht-rückholbares Risiko dar.
Das Interview führte André Madaus