Erschienen auf heute.de am 27. Oktober 2013

Umweltpreis für zwei Öko-Unternehmerinnen

Interview mit UrsulaSladek, Schönau

Ein Leben ohne Atomstrom und mit 100 Prozent erneuerbaren Energien - woran die Politik heute arbeitet, dafür streitet Ursula Sladek seit 1994. Die "Stromrebellin", die nun mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet wurde, schildert im heute.de-Interview ihren langen Kampf für erneuerbare Energien und ihre "unbändige Wut auf Politiker".

 

heute.de: Ihr Weg vom Protest gegen Atomenergie bis zur erfolgreichen Übernahme des Stromnetzes und der Gründung der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) war schwierig, es gab langwierige Gerichtsverfahren und zwei Bürgerentscheide. Was hat Sie damals motiviert, gegen alle Widerstände, vor allem die des örtlichen Stromanbieters, nie aufzugeben?

 

Ursula Sladek: Ich hatte eine unbändige Wut auf Politik und Energieversorger, die nach Tschernobyl einfach weiter machten, als wäre nichts geschehen. Das war ein starker Teil meiner Motivation. Außerdem waren wir relativ früh durch unsere Geschichte zum Symbol in der Anti-Atom-Bewegung geworden - hätten wir aufgegeben, wäre das ein Schaden für die ganze Bewegung gewesen. Also mussten wir einfach durchhalten. Und natürlich waren unsere fünf Kinder ein wichtiger Ansporn, und heute sind es auch noch die Enkel, die inzwischen dazu gekommen sind.

 

heute.de: Hätten Sie sich jemals träumen lassen, dass in Deutschland ganz offiziell das Ziel ausgegeben wird, eine zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen bestehende Energieversorgung anzustreben?

 

Sladek: Ja, natürlich! Denn es gibt auf Dauer gar keine andere Möglichkeit als die erneuerbaren Energien. Denn selbst wenn man einmal die Gefahren der Atomenergie außer Acht lässt und sich auch nicht um das Klima kümmert: Fossile und atomare Brennstoffe sind endlich, die erneuerbaren Energien sind die einzige Lösung! Die Frage war nur, wann setzt sich diese Erkenntnis durch?

 

heute.de: Was könnten "Stromrebellen" von heute dazu beitragen, dass die ins Stocken geratene Energiewende ein Erfolg wird?

 

Sladek: Die Energiewende setzt auch eine Strukturwende voraus - weg von zentralen, hin zu dezentralen Strukturen. Das schließt auch die Menschen vor Ort mit ein. Eine echte Bürgerbeteiligung ist wichtig für die Akzeptanz und zur Finanzierung vieler Projekte. In der Bürgerschaft steckt aber auch viel Know-how, was nicht ungenutzt bleiben sollte. Genau damit können die heutigen Stromrebellen zum Gelingen der Energiewende beitragen.

 

heute.de: Die Elektrizitätswerke Schönau unterstützen heute auch andere Netzkauf-Initiativen, beispielsweise aktuell die in Berlin. Welche Hoffnung verbinden Sie damit?

 

Sladek: Wir finden es großartig, dass sich heute in Berlin, Hamburg, Oldenburg und anderswo Menschen in Genossenschaften zusammenfinden, um die Energieversorgung dezentral und demokratisch zu gestalten. Sie lösen damit eine Diskussion über Parteigrenzen hinweg aus und machen eine ernsthafte Auseinandersetzung in Politik und Bevölkerung mit diesen wichtigen Themen notwendig. Wir hoffen, damit einen großen Schritt in Richtung Energiewende weiter zu kommen.

 

heute.de: Wenn Sie Ihre Vision für die europäische Stromversorgung der Zukunft beschreiben müssten, wie würde die aussehen?

 

Sladek: Wir hätten eine effiziente Stromversorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien. Die europäischen Länder hätten alle Abschied von Atom und Kohle genommen, die fluktuierenden Energien Wind und Sonne könnten mittels verschiedener Technologien gespeichert werden, oder es fände ein Ausgleich über die Ländergrenzen hinweg statt. Die Energieversorgung wäre außerdem unabhängig von Kohle-, Öl- und Gasimporten, und die Kosten hätten sich auf einem Niveau eingependelt und stiegen nicht mehr. Die Bürger wären an Stromnetzen und Stromproduktionsanlagen beteiligt und hätten so ein Mitspracherecht.

 

Das Interview führte André Madaus

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© André Madaus