Erschienen am 12.2.2017 auf heute.de

 

Antikenhandel

 

Wirkt das neue Kulturgutschutzgesetz?

 

Seit einem halben Jahr gilt in Deutschland das neue Kulturgutschutzgesetz. Es sollte unter anderem den illegalen Handel mit antiken Kunstschätzen eindämmen. Archäologen bemängeln jedoch entscheidende Schlupflöcher. 

 

Vor Kurzem bekamen die irakischen Behörden einen heißen Tipp. Soldaten untersuchten daraufhin das Haus eines IS-Führers in Mossul, wo sie rund einhundert antike Objekte von zum Teil unschätzbarem Wert entdeckten. Die Islamisten hatten die kostbaren Zeugnisse der rund 3.000 Jahre alten assyrischen Hochkultur aus den antiken Stätten Nimrud und Ninive geraubt. Dokumente mit genauen Preisangaben weisen darauf hin, dass die Terroristen das Raubgut auf dem internationalen Schwarzmarkt absetzen wollten.

 

Deutsches Gesetz als Blaupause für EU

Man geht davon aus, dass der IS mit dem Verkauf solcher "Blutantiken" bereits mehrere zehn Millionen US-Dollar verdient hat. Deutschland gilt für Experten als eine der wichtigsten Drehscheiben des illegalen Antikenhandels. Um das Geschäft mit den geraubten Kulturschätzen einzudämmen, hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ein neues Kulturgutschutzgesetz (KGSG) auf den Weg gebracht. Die Neuregelung, die Händler erstmals zu einem Nachweis über die rechtmäßige Einfuhr von Kulturgütern verpflichtet, ist seit dem 6. August 2016 in Kraft.

 

Auch die EU-Kommission arbeitet zurzeit an Einfuhrregeln für Kulturgut in den EU-Binnenmarkt. Bislang existieren sie lediglich für den Irak und Syrien, obwohl auch aus anderen Ländern wie Mali oder dem Jemen Kulturschätze geraubt werden. "Das deutsche Kulturgutschutzgesetz sieht solche generellen Einfuhrregelungen bereits jetzt vor", so Grütters‘ Sprecher Hagen Philipp Wolf. "Das EU-Vorhaben liegt damit voll und ganz auf der Linie des neuen deutschen Gesetzes."

 

Kritik kommt von Archäologen

Doch nicht alle Fachleute sind überzeugt, dass das neue Gesetz wirksam ist. Die Archäologin Dr. Jutta Zerres sieht einen entscheidenden Haken: "Herkunftsnachweis und Ausfuhrgenehmigung müssen nur für archäologische Objekte vorgelegt werden, die nach dem 26. April 2007 nach Deutschland importiert wurden. An diesem Tag ist Deutschland der UNESCO-Konvention zum Kulturgüterschutz von 1970 beigetreten. Es ist eine einfache Sache, gefälschte Unterlagen zu besorgen, die einem Objekt bescheinigen, dass es sich bereits vor diesem Stichtag in Deutschland befunden hat."

 

Besonders problematisch sind aus Sicht vieler Archäologen die Regeln für Münzen. Die gelten nämlich im novellierten KGSG nur dann als archäologische Gegenstände, wenn sie selten oder mehr als 2.500 Euro wert sind. Maßgeblich ist laut Gesetz der gezahlte oder geschätzte Preis für eine Münze. Für Zerres der völlig falsche Ansatz: "Dem Gesetzgeber ist offenbar nicht klar, dass gerade Münzen, wenn es sie in großer Zahl gibt und sie daher gut erforscht sind, einen großen Wert für die Wissenschaft besitzen."

 

Regelung "inkonsequent"

Anhand solcher Münzen ließen sich archäologische Schichten und Bauten zeitlich einordnen und antike Wirtschaftsbeziehungen rekonstruieren, so die Archäologin. "Mit so einer inkonsequenten Regelung, wie sie das neue Kulturgutschutzgesetz vorsieht, wird der illegale Antikenhandel sicher nicht effektiv unterbunden."

 

Für eine aussagekräftige Zwischenbilanz sei es noch zu früh, betont Wolf. Im Gesetz selbst ist eine Überprüfung nach zwei Jahren vorgesehen: "Was man aber sagen kann ist, dass die Sensibilität für die Problematik insgesamt steigt. Wir merken dies an Hinweisen und Anfragen, die uns und auch die Länder- und Zollbehörden erreichen" - welche das sind, will er nicht sagen.

 

Gerade in Zeiten niedriger Zinsen dienen exklusive antike Objekte nicht nur dem eigenen Prestige, sondern auch als Wertanlagen. Archäologen wie Jutta Zerres hoffen darauf, dass in der Bevölkerung allmählich ein Umdenken einsetzt. "Es fehlt definitiv an Unrechtsbewusstsein und Kenntnis darüber, welcher Wert archäologischen Fundstätten für die Erforschung der Menschheitsgeschichte zukommt. Sammler sind häufig Menschen, die zwar gerne von sich behaupten, an Geschichte und Archäologie interessiert zu sein, die aber gleichzeitig darüber hinwegsehen, dass sie mit dem Erwerb illegal ausgegrabener Objekte weiteren Raubgrabungen Vorschub leisten."

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© André Madaus