Erschienen am 26.7. 2015 auf heute.de
Mykorrhiza-Pilze
Durch die intensive Düngung in der Landwirtschaft gelangen Nitrate in das Grundwasser. Die Grenzwerte für den krebserregenden Stoff werden immer häufiger überschritten. Pilzgeflechte im Boden können dabei helfen, die Folgen der Überdüngung zu reduzieren.
Unter der Erde hat die industrielle Landwirtschaft dramatische Konsequenzen: In den Äckern verschwindet das natürliche Bodenleben. Zerstört werden auch Pilzgeflechte, die so genannten Arbuskulären Mykorrhiza-Pilze. Wie ein Filter reduzieren diese AM-Pilze das Versickern zum Beispiel von Nitraten in das Grundwasser deutlich. Wie wichtig das ist, zeigt die Tatsache, dass der Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter bei der Hälfte aller Messstellen in Deutschland inzwischen nicht mehr eingehalten werden kann. Dabei kann der Stoff beim Menschen Krebs auslösen.
Pilze wirken wie Filter
"Pflanzen nehmen normalerweise viele Nährstoffe nicht direkt an der Wurzel, sondern über die Arbuskulären Mykorrhiza-Pilze auf", erklärt Arthur Schüßler. Der Pflanzenwissenschaftler hat die immense Bedeutung der AM-Pilze im Nährstoffkreislauf von Pflanzen und Böden erkannt. Vor zwei Jahren gründete er mit Kollegen im niedersächsischen Cloppenburg die Wilhelms GmbH. Das Unternehmen entwickelt Verfahren, um die Anwendung von AM-Pilzen in Pulverform in die landwirtschaftliche Praxis zu integrieren. Damit können die Grundwasser-Belastung verringert, Ernteerträge gesteigert sowie Wasser und Dünger gespart werden.
In nur einem Gramm Erde können bis zu 100 Meter winziger Pilzfäden, Hyphen genannt, stecken. "Dieser Schwamm aus Pilz-Hyphen wirkt wie ein Filter", erklärt Schüssler. Dadurch wird auch die Auswaschung von Nitraten reduziert. Ohne die Pilze sind große Mengen des ausgebrachten organischen oder mineralischen Düngers für die Pflanzen nicht nutzbar, sondern bleiben im Boden oder gelangen ins Grundwasser. "Etwa 70 bis 80 Prozent des angewandten Phosphat-Düngers gehen einfach verloren", schätzt Schüssler. Im Zusammenspiel mit Bakterien lösen AM-Pilze Phosphat im Boden und führen es der Pflanze zu.
Gute Ergebnisse bei Kartoffeln und Soja
Zum Einsatz kommt das Pilzpulver bisher vor allem bei Mais, Kartoffeln und Soja. Der Landwirt vermischt das Saatgut mit dem Pulver und bringt es aus. Pilz und Pflanze wachsen von Anfang an gemeinsam. "Bei Mais funktionieren unsere Pilze sehr gut", so Schüssler. "Das Prinzip funktioniert auch im Bio-Landbau, wo wir super Ergebnisse mit Kartoffeln hatten." Die Ernte bringt zwar nicht mehr Knollen, dafür aber deutlich größere. Auch bei Soja sind die Zahlen vielversprechend. Ein Feldversuch in Italien ergab zuletzt rund 40 Prozent Ertragssteigerung.
Andrea Beste vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland betrachtet diese Erfolge mit gemischten Gefühlen: "Die Gabe von Mykorrhizapulver mit dem Saatgut ist nichts anderes als die Bekämpfung eines Symptoms industrieller Ackerbaumethoden", so die Bodenschutzexpertin. "Die natürlichen Vorkommen der Mykorrhizapilze werden durch Mineraldünger und Pestizide geschädigt und sind in konventionell bewirtschafteten Böden kaum noch vorhanden. Um die Boden-Fruchtbarkeit auch für kommende Generationen zu erhalten, brauchen wir endlich einen verbindlichen Bodenschutz, der auch die Ursachen für die Zerstörung der Mykorrhiza stoppt", fordert Beste.
Forschung geht weiter
In den Cloppenburger Labors wird weiter geforscht: Welche Pflanze bevorzugt welchen Pilz? Welche Rolle spielen klimatische Einflüsse oder bestimmte Anbaumethoden? Längst sind auch Global Player wie Bayer und BASF "auf den Pilz" gekommen. Die Helfer unter der Erde könnten ein Schlüssel sein für den Übergang zu einer effizienteren Landwirtschaft, die weniger Wasser und Ressourcen verbraucht, die Umwelt schont und gleichzeitig hohe Erträge verspricht.