Erschienen auf heute.de am 26.7.2014

Tempolimits vor 20 Jahren

 

Ozon-Alarm: Alles wieder im grünen Bereich?

 

Vor zwanzig Jahren gab es wegen hoher Ozonwerte zum ersten Mal Tempolimits auf Autobahnen. Heutzutage ist die Situation wegen der gesunkenen Schadstoff-Emissionen zwar nicht mehr so dramatisch. Von einer endgültigen Entwarnung kann dennoch keine Rede sein.


Ozonalarm! In den 1990er Jahren gehörte die Warnung vor hohen Ozonkonzentrationen in der Atemluft fast so selbstverständlich zum Sommer wie Badesee und Eiscreme. Am 26. Juli 1994, vor genau 20 Jahren, verordnete Hessen als erstes Bundesland deswegen Tempolimits auf Autobahnen. Damit sollte der Ausstoß der Substanzen gesenkt werden, aus denen unter Sonneneinstrahlung das giftige Gas entsteht. Vier Jahre später, im August 1998, sorgte das Ozongesetz der damaligen Umweltministerin Angela Merkel in einigen Bundesländern sogar für das erste und bis heute einzige Fahrverbot. PKW ohne Katalysator mussten einen Tag lang stehen bleiben.

 

In hoher Konzentration sehr gefährlich

Heute gilt der Feinstaub als Luftschadstoff Nummer eins. Über Ozon spricht kaum noch jemand. Doch das durchsichtige und geruchslose Schreckgespenst von einst ist nicht einfach verschwunden. Insbesondere an heißen und windstillen Sommertagen kann es sich in Bodennähe anreichern. In hohen Konzentrationen reizt es bei empfindlichen Menschen die Atemwege, verursacht Husten, Kopfschmerzen und kann allergische Reaktionen auslösen.

 

Die Schwellenwerte von damals gelten noch heute: Wird die Grenze von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Ozon in der Luft als Mittelwert einer Stunde überschritten, muss die Bevölkerung informiert werden. Bei mehr als 240 Mikrogramm wäre eine Warnung fällig. Doch diese Grenze ist in den letzten Jahren, wenn überhaupt, nur lokal begrenzt erreicht worden.

 

EU-Richtlinie ist "zahnlos"

Dass die Situation nicht mehr so dramatisch ist wie früher liegt vor allem an verbesserten Technologien wie dem Katalysator. Ozon bildet sich aus Stickoxiden, die vor allem im Verkehr freigesetzt werden, und organischen Verbindungen, die bei der Herstellung und Anwendung von Lösemitteln entstehen. "Die Freisetzung dieser Stoffe ist seit 1990 mehr als halbiert worden", sagt Ute Dauert, Ozon-Expertin beim Umweltbundesamt. "Die Höhe der Spitzen, die Häufigkeit des Auftretens und auch die Dauer erhöhter Ozonkonzentrationen haben deshalb deutlich abgenommen."

 

Zusätzlich zu den Schwellenwerten für Ozon sind 2004 europaweit geltende "Zielwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit" in deutsches Recht übernommen worden. Ursprünglich sollte bis 2020 die Grenze von 120 Mikrogramm pro Kubikmeter Ozon in einem Mittel über acht Stunden nicht mehr überschritten werden. Inzwischen ist in der Verordnung nur noch von "langfristig" die Rede. Ute Dauert findet die EU-Richtlinie deshalb "etwas zahnlos": "Der Wert von 120 Mikrogramm wird an vielen Orten in Deutschland deutlich überschritten. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt sogar nur 100 Mikrogramm, um die Gesundheit nicht zu gefährden. Wenn wir davon ausgehen würden, hätten wir deutschlandweit ein Problem."

 

Emissionen müssten grenzüberschreitend reduziert werden

Zurzeit untersuchen Forscher, ob der Klimawandel das Ozon-Problem wieder verschärfen könnte. Als Vergleich für ihre Berechnungen ziehen sie den Jahrhundertsommer 2003 heran. Damals wurde mit 334 Mikrogramm der höchste Wert seit 1990 gemessen. Ein erstes Ergebnis zeigt: Trotz der Erfolge beim Ausstoß von Schadstoffen käme es bei einem Extremsommer zu großflächigen Überschreitungen der Ziel­werte.

 

Deshalb müssten die Emissionen der Ozonvorläu­ferstoffe weiter reduziert werden - am besten mit Regelungen auf internationaler Ebene, denn die Ozon-Belastung macht vor Grenzen keinen Halt. Da insbesondere Diesel-Fahrzeuge viel Stickoxid ausstoßen, müsste mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene verlegt werden. Sonst es heißt es eines schönen Sommertages wieder: Ozonalarm!

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© André Madaus