Erschienen am 31.5.2018 auf heute.de

 

Starkregen

 

Umweltbundesamt fordert Gefahrenkarten

 

Fast täglich ist ein anderer Ort von Starkregen betroffen, versinken ganze Dörfer in den Fluten. Wo genau sich die Himmelsschleusen öffnen, können auch Experten kaum vorhersagen.

 

Das Frühjahr hat den Trend klar bestätigt: Wie schon in den vergangenen Jahren haben heftige Unwetter mit Starkregen und Hagel immer wieder ganze Ortschaften in kürzester Zeit überflutet. Wenn die Meteorologen Recht behalten, werden uns die Bilder solcher Starkregenereignisse im kommenden Sommer weiter begleiten: Sie rechnen mit Hitzewellen und weiterhin auch punktuell mit extremen Unwettern.

 

Umweltbundesamt ermittelt den Status Quo

Schon in den Jahren 2014, 2015 und 2016 verursachten extreme Niederschläge enorme Sachschäden. Auch Menschen kamen ums Leben. Das Umweltbundesamt (UBA) hat im Rahmen des Projekts "Vorsorge gegen Starkregenereignisse und Maßnahmen zur wassersensiblen Stadtentwicklung" recherchiert, wie es in deutschen Kommunen um die Starkregenvorsorge bestellt ist. Ein Ziel des Projektes sind Handlungsempfehlungen, die dem ZDF teilweise vorab vorliegen.

 

Anders als das klassische Hochwasser an Flüssen kann Starkregen völlig unabhängig von Gewässern auftreten.  "Starkregenereignisse sind extrem kleinräumig, und man weiß nie genau, wo so ein Ereignis stattfindet", betont Corinna Baumgarten, die das Projekt beim UBA betreut. "Man kann auch nicht sagen, dass eine bestimmte Region stärker gefährdet ist als eine andere. Man kann überall gleichermaßen von einem Starkregenereignis betroffen werden."

 

Kurze Vorwarnzeiten

Weil Starkregen mit herkömmlichen Wettermodellen kaum vorherzusagen ist, bleiben meist nur wenige Stunden für Hinweise an die Bevölkerung. Bei Befragungen nach den Sturzfluten im Frühjahr 2016 stellte sich heraus, dass bei den untersuchten Ereignissen nur rund zwölf Prozent der Betroffenen vorab durch offizielle Warnungen erreicht werden konnten.

 

In manchen Fällen hätte es womöglich nicht viel geändert, wenn die Menschen früher gewusst hätten, was auf sie niederkommt. Die Infrastruktur vieler Orte ist den sintflutartigen Niederschlägen oft nicht gewachsen. Hinzu kommt, dass noch immer zu viele Flächen versiegelt werden, auf denen Wasser versickern könnte. Das kritisiert auch Corinna Baumgarten: "Die Versiegelung und insbesondere die Neuversiegelung ist in Deutschland noch immer zu hoch. 2016 wurden täglich 62 Hektar Siedlungs- und Verkehrsfläche neu ausgewiesen, das ist mehr als doppelt so viel, wie die Bundesregierung mit 30 Hektar pro Tag bis 2030 in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie vorgibt."


Starkregengefahrenkarten sollen helfen

Ein Ausbau der Kanalisation, der von manchen Experten immer wieder gefordert wird, sei allein nicht ausreichend für einen effektiven Umgang mit Starkregenereignissen, so Baumgarten. Städte und Gemeinden müssten vor allem analysieren, welche Flächen für eine Aufnahme von ablaufendem Starkregenwasser besonders geeignet sind und den Abfluss dorthin gezielt lenken, um andere Flächen zu entlasten.

 

Ein probates Mittel, um die möglichen Auswirkungen extremer Niederschläge zumindest etwas berechenbarer zu machen, sind so genannte Starkregengefahrenkarten. Anhand solcher meist auf Geländemodellen basierenden Karten lässt sich ungefähr vorhersagen, welche Straßenzüge oder Gebäude eines Ortes wie stark betroffen sein könnten. Daraus lassen sich dann gezielt Gegenmaßnahmen ableiten.


Bewusstsein ist gewachsen

Laut UBA haben einige Kommunen wie Worms und Lübeck solche Karten erstellt. Weil es aber noch keine einheitlichen Standards gibt, sind diese bislang unterschiedlich konzipiert und kaum vergleichbar. "Ein Ergebnis des Projekts ist, dass man sich um eine Vereinheitlichung der Karten kümmern muss. Jede existierende Karte ist gut und wichtig, aber man könnte es besser machen", so Baumgarten.

 

Das Projekt insgesamt habe gezeigt, dass das Bewusstsein und das Verständnis über Starkregenereignisse auf allen Ebenen gestiegen seien. "Jetzt kommt es darauf an, auf der Grundlage von Risikoanalysen konkrete Maßnahmen in den urbanen Räumen zu planen und umzusetzen."

 

 

FAKTENBOX

 

Gibt es Starkregen häufiger als früher?

Eindeutige Aussagen über die Zunahme von extremen Niederschlägen sind schwer zu treffen, weil Starkregen lokal eng begrenzt ist und deshalb vom Netz der meteorologischen Stationen nicht immer erfasst wird. Zwar werden seit rund 15 Jahren auch Wetterradardaten ausgewertet, aber die Menge der dabei gesammelten Informationen ist für ein abschließendes Urteil noch nicht ausreichend. Experten des Umweltbundesamtes (UBA) zufolge gibt es aber Hinweise, dass mit einer Zunahme solcher Ereignisse im Zuge des Klimawandels zu rechnen ist. Für das Winterhalbjahr seien diese Hinweise bereits relativ deutlich. Ob die Häufigkeit der Ereignisse im Sommerhalbjahr noch im Rahmen der normalen Variabilität liege, sei noch unklar.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Starkregen ist natürlich kein vom Klimawandel verursachtes Naturphänomen. Historische Aufzeichnungen berichten beispielsweise über ein Unwetter, bei dem 1920 in Füssen binnen acht Minuten 126 Liter Wasser pro Quadratmeter niedergingen. Dennoch sind extreme Wetterlagen wie die Hitzewellen in diesem Frühjahr für Experten ein eindeutiges Zeichen des Klimawandels. Ungewöhnlich sind dabei nicht die hohen Temperaturen an sich, sondern die eher für den Hochsommer typische Stabilität der Wetterlage. Ursache hierfür ist Klimastudien zufolge der Jetstream: Dieses Starkwindband, das die Großwetterlage bestimmt, lenkt und verwirbelt Luftmassen in einer Höhe von sieben bis zwölf Kilometern und beeinflusst Hoch- und Tiefdruckgebiete. Aktuell lenkt der Jetstream heiße Luftmassen aus dem Süden nach Mitteleuropa. Wohl als Folge des Klimawandels ist der Jetstream stabiler geworden, sodass Hitze- oder Regenperioden in Zukunft nicht nur extremer ausfallen, sondern vor allem länger anhalten dürften.

 

Welche Versicherung zahlt bei Schäden durch Starkeregen?

Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) entstanden 2014 durch Schlechtwetterfronten Schäden in Höhe von 310 Millionen Euro, 2016 waren es sogar über 800 Millionen Euro. Auch 2018 sind nach ersten Schätzungen bereits Schäden im zweistelligen Millionenbereich entstanden. In vielen Fällen bleiben Hauseigentümer auf den Kosten sitzen, denn eine Hausrat- und Gebäudeversicherung deckt lediglich Schäden durch Sturm (ab Windstärke 8), Blitz- und Hagelschlag ab. Schäden durch Hochwasser und Starkregen sind nur gedeckt, wenn der Eigentümer zusätzlich eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen hat. Laut GDV haben derzeit nur 41 Prozent der privaten Immobilienbesitzer in Deutschland eine solche Police abgeschlossen.

 

Wodurch entstehen bei Starkregen Schäden?

Bei Starkregen entstehen Schäden vor allem durch oberflächlich abfließendes Wasser, das in Gebäude eindringt und oft Schlamm aus höheren Lagen in die Orte bringt. Außerdem können selbst kleine, sonst harmlose Gewässer ausufern und zusätzliche Überschwemmungen verursachen. Insbesondere an Engstellen wie Brücken und Durchlässen können sich Bachläufe rückstauen. Besonders gefährlich kann es werden, wenn die Fluten Industrie- und Gewerbegebiete erreichen und dort giftige Stoffe austreten. Ähnliches gilt für Kläranlagen, die bei Überflutungen komplett ausfallen und die Gewässer mit Schadstoffen belasten können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Welche Gegenmaßnahmen gibt es?

Das Ausmaß der Schäden hängt vor allem davon ab, wie schnell und vollständig das Wasser abfließen kann. Neben natürlichen Gegebenheiten wie dem Wasserspeichervermögen der Böden kommen menschliche Faktoren hinzu, vor allem die Versiegelung von Flächen. Experten fordern daher, Überlaufflächen von Bachläufen und Feuchtgebiete nicht als Siedlungsflächen auszuweisen. Gezielte Aufforstung kann Erosion verhindern und so ebenfalls Schäden vorbeugen. Viele betroffene Kommunen haben inzwischen Starkregen-Gefahrenkarten erstellen lassen. Anhand solcher Karten lassen sich extreme Niederschläge am Computer simulieren und potentiell gefährdete Straßenzüge oder Gebäude ermitteln. Dort können dann gezielte Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Eine Erneuerung der vielerorts nicht für Starkregen ausgelegten Kanalnetze ist zwar grundsätzlich Aufgabe der Gemeinden. Wenn ein alter Kanal durch neue, breitere Rohre ersetzt wird, können Kommunen die Anlieger an den entstehenden Kosten beteiligen.

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© André Madaus