Erschienen am 29. Dezember 2011 auf heute.de
von André Madaus
Im Kampf um bessere Luft verschärfen zahlreiche Städte im neuen Jahr ihre Umweltzonen. Der Effekt von Einfahrverboten für Dreckschleudern bleibt indes umstritten. Im neuen Jahr soll auch das Nachrüsten mit Rußpartikel-Filtern wieder gefördert werden.
Im kommenden Jahr wird sich die Zahl der Umweltzonen in deutschen Städten auf 55 erhöhen. Zudem werden vielerorts die bereits vorhandenen Regelungen verschärft. In vielen Gemeinden dürfen dann nur noch Fahrzeuge mit der gelben oder - wie beispielsweise in Stuttgart und Frankfurt - grünen Plakette die Umweltzone befahren. Doch auch vier Jahre nach Einführung der ersten Umweltzonen bleibt ihr positiver Effekt auf die Gesundheit heftig umstritten.
Ziel der Umweltzonen ist vor allem die Reduzierung des Feinstaubs, der in hohen Konzentrationen Lunge und Bronchien schädigen kann. Der EU-Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft darf an höchstens 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Doch Großstädte mit Umweltzonen wie Leipzig und Frankfurt haben diese Grenze schon vor Wochen überschritten. Gelsenkirchen liegt mit über 80 Tagen an der Spitze dieser Statistik - Wasser auf die Mühlen von Kritikern, die Umweltzonen als untaugliches Mittel zur Luftverbesserung ablehnen.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Feinstaub wird nicht nur vom Verkehr verursacht. Auch Industrie, Landwirtschaft und private Haushalte tragen ihren Teil dazu bei. Zu den schlechten Werten in diesem Jahr hat nicht zuletzt das Wetter im Herbst geführt: Wochenlang herrschte eine so genannte "Inversionswetterlage" mit wenig Regen oder Wind. Der Feinstaub blieb so in der Luft hängen.
Für Dorothee Saar, Expertin für Verkehr und Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe, haben die schlechten Messergebnisse aber noch einen anderen Grund: "Nur Berlin und Hannover kontrollieren tatsächlich, ob die Anforderungen umgesetzt werden. Aber wenn ich das Stöckchen schon niedrig hänge und dann nicht einmal schaue, ob die Leute auch drüber springen, ist es mit messbaren Erfolgen so eine Sache."
In Erfurt gibt es eine Umweltzone noch nicht. Seit Jahren ringt die Stadt mit anderen Mitteln um eine bessere Luftqualität: "Wir haben Ampelschaltungen optimiert, Straßen mit einem Feinstaub absorbierenden Asphalt saniert und sogar Modellprojekte mit Pflanzen gemacht, die Feinstaub aufnehmen", beteuert Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD). Wenn die Stadt mit ihren alternativen Maßnahmen keinen eindeutig belegbaren Erfolg erzielt, wird sie um eine Einführung der Umweltzone ab Oktober 2012 nicht herum kommen. Sonst drohen Strafzahlungen, die deutlich über den Kosten für eine Umweltzone liegen.
Messbar besser geworden ist die Berliner Luft. Seit 2010 gilt in der Hauptstadt die höchste Stufe, also die grüne Plakette. Im September teilte die Senatsumweltverwaltung mit, dass die Belastung durch Dieselruß im Feinstaub im Vergleich zu 2007 um 52 Prozent zurückgegangen sei. Für Dorothee Saar ein wichtiger Erfolg: "Der Anteil im Feinstaub, der besonders stark gesundheitsgefährdend ist, weil er besonders tief in die Lunge eindringt und krebserregend ist - das sind die Dieselteilchen. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber es ist auch noch Luft nach oben."
Grundsätzlich unterscheiden müsse man zwischen Feinstaub und dem ebenfalls gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxid, das ausschließlich vom Verkehr, vor allem von Bussen und schweren Nutzfahrzeugen, verursacht wird. Auch hier gibt es seit 2010 EU-Grenzwerte, deren Einhaltung ab 2014 kontrolliert werden soll. "Wir müssen uns über Fahrzeuge mit hohem Stickstoffdioxid-Ausstoß Gedanken machen. Eine Möglichkeit wäre die Einführung einer blauen Plakette als Erweiterung der Umweltzonen", sagt Dorothee Saar.
Die Deutsche Umwelthilfe und andere Verbände fordern außerdem, Grenzwerte für Benzinfahrzeuge mit Direkteinspritzung einzuführen. Diese Technologie ermögliche zwar eine Senkung des Kraftstoffverbrauchs und somit der CO2-Emissionen. Sie führe aber auch zu einem erhöhten Ausstoß besonders gesundheitsgefährdender, ultrafeiner Partikel.