Erschienen auf heute.de am 13.12.2013:

Wald statt Monokultur: Der bessere Weihnachtsbaum

von André Madaus

 

Über 25 Millionen Weihnachtsbäume werden sich die Deutschen dieses Jahr wieder gönnen. Die große Mehrheit dieser Bäume wurde unter oft hohem Pestizid-Einsatz in Monokulturen gezogen, die zunehmend auch Waldflächen verdrängen. Nordrhein-Westfalen hat darauf mit einem Gesetz reagiert.

 

In Deutschland wurde der Christbaum nicht nur mutmaßlich erfunden. Hier werden europaweit auch die meisten Bäume produziert. Zentrum dieser Industrie ist die Region Südwestfalen, wo inzwischen jeder dritte deutsche Weihnachtsbaum wächst. Die Anbaufläche dort beträgt insgesamt 18.000 Hektar, fast ein Viertel davon war früher Wald.Früher heißt vor dem Orkan "Kyrill", der im Januar 2007 gerade im Sauerland schwer wütete. Forstbauern nutzten seitdem viele der kahl geschlagenen Flächen, um die im Vergleich zu herkömmlicher Waldbewirtschaftung deutlich lukrativeren Weihnachtsbaum-Plantagen anzulegen.

 

Ziel der Gesetzesänderung: Naturnahe Bewirtschaftung

Die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf hat dieser Entwicklung mit einer Änderung des Landesforstgesetzes nun einen Riegel vorgeschoben. Weihnachtsbaumkulturen gelten in Nordrhein-Westfalen künftig nicht mehr als Wald, sondern werden Kulturen außerhalb des Waldes gleichgestellt. Forstbehörden können so Anträge für neue Plantagen im Wald untersagen oder nur unter Auflagen genehmigen. "Inhalt solcher Genehmigungen wird sein, Grundsätze für eine naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung zu gewährleisten", erläutert Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). "Dazu gehört zum Beispiel möglichst der Verzicht auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder eine schonende Bodenbearbeitung.“

 

Vom Gesetz ausgenommen sind Familienbetriebe mit bis zu zwei Hektar Fläche. Eine Übergangsregel verschafft Waldbauern eine Frist bis zum 1. Januar 2029 zur Anpassung an die neue Rechtslage. Kritiker sehen durch das Gesetz zahlreiche Betriebe in ihrer Existenz bedroht - dem widerspricht der Umweltminister: "Das neue Gesetz gibt allen Beteiligten die Chance, gemeinsam eine neue Art der Wertschöpfung beim Anbau von Weihnachtsbäumen zu entwickeln. Südwestfalen wird die Weihnachtsbaumregion Nummer 1 in Deutschland bleiben und unserer Ansicht nach sogar an Wert gewinnen."

 

Umweltschützer kritisieren Einsatz von Pestiziden

Umweltminister Remmel reagiert mit dem neuen Gesetz auch auf wachsenden Unmut aus der Bevölkerung. So hatte die Bürgerinitiative "Giftfreies Sauerland“ die wuchernden Plantagen und insbesondere die Menge der dort eingesetzten Spritzmittel kritisiert. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hatte schon 2011 in einer Studie in sechs von 15 getesteten Weihnachtstannen und –fichten teils verbotene Pestizide nachgewiesen. Den allzu sorglosen Umgang mancher Plantagenbetreiber mit chemischen Spritzmitteln belegte 2012 auch eine Gewässerprobe des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums. In sechs von 30 Gewässerstellen im Sauerland waren Rückstände des in Verruf geratenen Wirkstoffes Glyphosat gefunden worden.

 

Tomas Brückmann, BUND-Pestizidexperte, begrüßt die Initiative aus NRW: "Dieser Schritt ist wichtig und richtig! Weihnachtsbaummonokulturen haben nichts mit nachhaltiger Forstwirtschaft zu tun und stehen zudem in einer Flächenkonkurrenz zu anderen forstwirtschaftlichen Aktivitäten.“ Seit der BUND-Studie von 2011 habe zwar ein zögerliches Umdenken bei hiesigen Erzeugern eingesetzt, sagt Brückmann. "Allerdings wollen die deutschen Christbaumproduzenten den dänischen Konkurrenten den Markt streitig machen. Das führt zu einem verstärkten Anbau von Christbäumen in Monokulturen in Deutschland.“

 

Baum vom Förster Ihres Vertrauens

Immer mehr Verbraucher wünschen sich einen Weihnachtsbaum aus ihrer Region, wie eine vom Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger (BWS) veröffentlichte Studie zeigt. Auch BUND-Experte Brückmann empfiehlt den Christbaum aus dem "richtigen Wald“: "Wenn möglich fahren Sie am besten zu einem Förster in Ihrer Nähe. Hier bekommen Sie ungespritzte Bäume ohne lange Transportwege. Außerdem erwartet Sie im Wald, entgegen der vorweihnachtlichen Hektik, Ruhe, Besinnung und ein Naturerlebnis."

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