Erschienen am 22.3. 2016 auf heute.de

 

Weltwassertag 2016

 

Kein Wasser, keine Wirtschaft

 

Ohne Wasser kein Leben - und ohne Wasser keine Wirtschaft. Für zig Millionen Arbeitsplätze weltweit ist Wasser eine unentbehrliche Ressource, zeigt eine UNESCO-Studie zum heutigen Weltwassertag. Doch Politik und Unternehmen haben diesen Umstand lange Zeit ignoriert. 

 

Dezember 2015, Weltwirtschaftsforum in Davos. Eines der Themen: Die größten Risiken für die Weltwirtschaft. Der Klimawandel gehört dazu, auch die Verbreitung von Krankheiten. Doch am eindringlichsten warnen die Experten in Davos vor einer globalen Wasserkrise - eine Einschätzung, die der nun veröffentlichte siebte Weltwasserbericht der UNESCO - Titel: "Wasser und Jobs" - teilt.

 

Drei Viertel aller Arbeitsplätze weltweit, so die Autoren, hängen von der Ressource Wasser ab. Ohne ausreichend sauberes Wasser seien wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum weltweit akut bedroht, Millionen Arbeitsplätze gefährdet. Die UNESCO fordert deshalb ein Umdenken und einen verantwortungsvolleren Umgang mit der Ressource.

 

Dürre in Kalifornien kostet 20.000 Jobs

Wozu schlechtes Wassermanagement in Kombination mit ausbleibenden Regenfällen führen kann, hat zuletzt das Beispiel Kalifornien gezeigt. Eine Studie der University of California beziffert den wirtschaftlichen Schaden durch die jahrelange Dürre allein für das Jahr 2015 auf 1,8 Milliarden Dollar. Über 10.000 saisonale Arbeitsplätze seien demnach verloren gegangen. Berücksichtige man die indirekten Folgen, etwa für die Transportbranche und die Lebensmittelverarbeitung, käme man sogar auf 2,7 Milliarden Dollar Schaden und rund 20.000 verlorene Jobs.

 

Weil der Wasserbedarf weiter steigt und wegen des Klimawandels mit mehr Dürren zu rechnen ist, warnt auch die Umweltstiftung WWF vor ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen. Dabei hat die Debatte um den Wasserverbrauch gerade erst so richtig begonnen. "Früher hat jedes Land nur auf sich selbst geschaut, aber inzwischen gibt es globale Konzepte wie das 'Virtuelle Wasser' und den 'Wasserfußabdruck'", sagt WWF-Wasserexperte Philipp Wagnitz. "Virtuelles Wasser", das ist die Wassermenge, die bei der Herstellung eines Produktes anfällt. Der "Wasserfußabdruck" bezeichnet die Wassermenge, die insgesamt von den Bewohnern eines Landes verbraucht wird. "Das hat die gesamte Debatte verändert", sagt Wagnitz.

 

Lokale Krisen, globale Auswirkungen

"Wir reden zwar von einer globalen Wasserkrise, aber es geht immer um Probleme in lokalen Flussgebieten", so Wagnitz. Ein gutes Beispiel für das Wasser-Dilemma ist Baumwolle: Nur ein Kilogramm des Rohstoffs verschlingt rund 22.000 Liter Wasser. Angebaut wird Baumwolle aber vorzugsweise in trockenen Regionen wie Indien oder Pakistan, weil es dort weniger Schädlinge gibt. Hinzu kommt die Belastung von Gewässern durch den Einsatz von Pestiziden für die empfindliche Baumwolle.

 

Veraltete Technologien, eine lückenhafte Gesetzgebung und Korruption führen gerade in Staaten wie Indien oder Pakistan zu Wasservergeudung und gefährden die wirtschaftliche Entwicklung. Der WWF fordert Unternehmen deshalb auf, sich besser über die Wassersituation vor Ort zu informieren und den Wasserverbrauch entlang der gesamten Wertschöpfungskette verstärkt unter die Lupe zu nehmen. "Viele große Unternehmen wissen überhaupt nicht, von welchen Feldern die Baumwolle für ihre Produkte kommt", sagt Wagnitz.

 

Wasser-Zertifikate erst in Ansätzen

Erst allmählich entwickeln Politik, Unternehmen und Umweltverbände Mechanismen, um der herausragenden Bedeutung des Rohstoffs Wasser gerecht zu werden. Die " Alliance For Water Stewardship" soll den Wasserverbrauch eines Produkts in Zukunft transparenter machen. "Mit dem Zertifikat wollen wir erreichen, dass Produzenten vor Ort sich für ein besseres Wassermanagement der lokalen Behörden in ihrem Flussgebiet einsetzen, dass Wasser gerechter verteilt wird und den richtigen Preis hat", erläutert Wagnitz.

 

Bis das Siegel tatsächlich auf Produkten auftaucht, wird es aber noch etwas dauern. Bis dahin haben Verbraucher in Deutschland nur wenige Möglichkeiten, einen sparsamen und vernünftigen Umgang mit Wasser zu belohnen. Dass ein T-Shirt aus Biobaumwolle hergestellt wurde, sagt nämlich nicht unbedingt etwas darüber aus, wie viel Wasser für seine Herstellung verschmutzt oder verbraucht wurde.

 

Wenn das Steak in Sao Paulo Dürre anrichtet

Klar ist: Durch die globale Vernetzung hat Konsum weltweite Auswirkungen. Unser Fleischverbrauch beispielsweise hat die katastrophale Dürre in der Region Sao Paulo in Brasilien mit beeinflusst: Für den Anbau von Soja werden dort Savannenwälder gerodet, wodurch der Boden weniger Wasser speichern kann. "Für die Fütterung in der Massentierhaltung importieren wir Sojaschrot aus Südamerika. Der Sojaanbau ist einer der Faktoren für die Wasserprobleme in der Region Sao Paulo", so Wagnitz. "Wir sagen deshalb weiterhin: Kauft regional und saisonal, esst weniger Fleisch. Das ist immer der richtige Griff - nicht nur beim Klima, sondern auch beim Wasser."

 

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© André Madaus